Der Kampf um Kunstflug in Rheinland-Pfalz geht weiter:

Das Bundesverkehrsministerium soll der DFS mitgeteilt haben, dass Kunstflug über Rheinhessen wegen der dichten Besiedelung grundsätzlich verboten sei.

Zunächst verwundert, dass hier scheinbar eine interne Verwaltungsanweisung geltendes Recht ändern soll. Grundsätzlich gilt § 1 LuftVG (Luftverkehrsgesetz):

Die Benutzung des Luftraumes durch Luftfahrzeuge ist frei.

Dieser eherne Grundsatz kann nur durch das LuftVG selbst eingeschränkt werden oder durch Rechtsvorschriften, die auf Grundlage dieses Gesetzes erlassen werden. Auf Grundlage des LuftVG ist eine Einschränkung von Kunstflug nicht möglich.

Schon gar nicht ist dies durch behördeninterne Anweisungen möglich. Diese ändern nämlich kein geltendes Recht.

Die ganze Diskussion hängt sich an dem Begriff „dicht besiedelte Gebiete“ auf. Hinsichtlich des „dicht besiedelten Gebietes“ ist zu konstatieren, dass hier die Legaldefinition in § 6 Abs. 1 LuftVO (Luftverkehrs-Ordnung) zu suchen ist:

Ein dicht besiedeltes Gebiet ist hier in den Kontext gestellt von Städten, anderen dicht besiedelten Gebieten, Industrieanlagen, Menschenansammlungen, Unglücksorten, …

Hintergrund der Regelung ist, hinreichende Notlandemöglichkeiten im Falle eines Triebwerksausfalles zu bieten. Wenn ein Luftfahrzeug über einer Stadt ein technisches Problem bekommt und lediglich in 500 Fuß Höhe fliegt, dann reicht dieses nicht aus, eine Notlandemöglichkeit anzusteuern. Aus einer Höhe von 1.000 Fuß sieht dieses schon ganz anders aus. Bei einer durchschnittlichen Gleitgeschwindigkeit eines Luftfahrzeuges von 128 km/h und einer durchschnittlichen Sinkrate nach Motorausfall von 500 Fuß pro Minute hat der Luftfahrzeugführer aus einer Höhe von 1.000 Fuß über 4 Kilometer Radius zum Ansteuern eines Notlandefeldes. Dies reicht für einen Flug über Städten aus.

Gleiches gilt für „andere dicht besiedelte Gebiete“ im Sinne des § 6 LuftVO. Hiermit sind Gebiete gemeint, die eine ähnlich dichte Besiedelung wie eine Stadt aufweisen, beispielsweise eine geschlossene Ortschaft von einer gewissen Ausdehnung. Ein kleines Dorf von 10 Häusern ist im Sinne des § 6 Abs. 1 LuftVO mit Sicherheit noch kein „dicht besiedeltes Gebiet“. Es ist vielleicht in dem kleinen Raum dicht besiedelt, weil eben 10 Häuser nebeneinander stehen – es ist aber kein „Gebiet“. Ein dicht besiedeltes Gebiet ist ein „Gebiet“, in dem eine Besiedelung besteht, die einer städtischen Besiedelung entspricht, dies ergibt der Kontext, in dem der Begriff steht, nämlich neben Städten, Industrieanlagen, Menschenansammlungen.

Der Begriff der „dicht besiedelten Gebiete“ ist auch in der Rechtsprechung seit langem so festgeschrieben, u. a. durch das OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.11.1985, Az.: 5 Ss 269/85. Danach ist ein dicht besiedeltes Gebiet ein Gebiet, wenn es eine solche Besiedelungsdichte aufweist, dass bei einer im Prinzip möglichen Notlandung im Gegensatz zu einem Absturz ein Schadenseintritt außerhalb des Luftfahrzeugs auch nur wahrscheinlich ist.

Dieses entspricht dem Vorhergesagten:

Ein dicht besiedeltes Gebiet ist ein Gebiet, bei dem der Luftfahrzeugführer in Höhe von 500 Fuß ein echtes Problem bekommen würde.

Was in dem Kampf um den Kunstflug in Rheinland-Pfalz versucht wird, ist, einen Rechtsbegriff, nämlich den der dicht besiedelten Gebiete, zu verbiegen und einfach im Sinne gewisser Interessengruppen zu interpretieren, um so eine gesetzlich nicht normierte Beschränkung durch die Hintertür einzuführen.

Dies ist rechtlich nicht möglich.

 

Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, mitgeteilt von Rechtsanwalt Stefan Hinners, Hamburg

 

2011121201


1 Kommentar

Karl-Heinz Theis · 17. Dezember 2011 um 03:46

Dass es sich hier um Rechtsverdrehung handelt erkennt man schon alleine daran, wenn man an den Segelkustflug denkt. Es geht bei der ganzen Diskussion ja offensichtlich um Fluglärm. Das Gesetzt sieht keine Trennung zwischen Motorkunstflug und Segelkunstflug vor. Schon alleine deshalb kann man davon ausgehen, dass es in Verbindung mit der Definition „dicht besiedeltes Gebiet“ nicht um den Fluglärm geht. Außerdem ist Segelkunstflug insbesondere nur in der unmittelbaren Umgebung eines Flugplatzes sicher durchfürbar. Durch den schnellen Höhenverlust bei dessen Durchführung ist meißtens eine anschließende, unmittelbare Landung geboten. Segelkunstflug wird meißtens über oder in unmittelbarer Nähe von Flugplätzen durchgeführt. Nach der veröffentlichten Karte der „dicht besiedelten Gebiete“ sind dadurch auch Flugplätze betroffen. Das ist nun wirklich ein Eingriff in den § 1 des Luftverkehrsgesetz. Die absurde Rückendeckung durch das Bundesverkehrsministerium kann ich nicht nachvollziehen.

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